Solarregler im Reisemobil sind eine EMV-Seuche ...
veröffentlicht am 22.06.2025 - aktualisiert am 30.06.2025 mit 1483 Worten - Lesezeit: 7 Minute(n) in * MEDIEN * REISEN * WOHNMOBILE *
Inhaltsverzeichnis
Vor etlichen Jahren hab ich Artikel geschrieben, die sich mit dem Ende der einfachen Informationsgewinnung auf Reisen per ganz normalem Radio befaßt hatten, wie hier zum Ende der Mittelwellen-Ausstrahlungen in und aus Deutschland, dem Sterben der Kurzwelle und damit folgerichtig dem Austausch meines langjährig genutzten Autoradios mit vielen Kurzwellenbereichen, dem Becker Mexico 2330 durch ein Gerät mit USB-Eingang zum Hören von Podcasts.
Der Neuanfang - und die ersten Probleme
Das Autoradio war zu Zeiten des weltweiten Kurzwellenrundfunks eine gute und platzsparende Lösung, denn große Geräte wie die hier dargestellten Apparate will wohl kein Reisemobil-Reisender auf Dauer mit sich rum"schleppen". Nun haben sich in der letzten Zeit zwei Entwicklungen ergeben:
- hat heute wohl jeder Reisende einen mehr oder weniger mobilen Computer bei sich - und diese Geräte sind sehr leistungsfähig geworden
- gibt es inzwischen kleine zigarrenkistengroße sog. SDR-Frontends (Software Defined Radio), die an einem USB-Ausgang eines Computers angeschlossen werden und die eigentliche Empfangssoftware auf eben diesem Computer läuft. Das Frontend dient nur mehr der Aufbereitung des Antennensignals in eine Form, mit der die Software auf dem Computer arbeiten kann.
Nach etlichen Spielereien mit dieser Form von “Empfangsgeräten”, die ich unter anderem hier beschrieben hatte, habe ich mir unlängst ein solches Frontend, den SDRplay RSPdx-R2 (1), zugelegt. Hintergrund war, daß ich hier einen Frequenzbereich von unterhalb der Langwelle bis hinauf zu 2 GHz abdecken kann, also Lang-/Mittel-/Kurzwelle, UKW und auch DAB, die NOAA-Wettersatelliten (die leider nach und nach absterben werden), Amateurfunkbereiche, etc. etc.
Hauptsächlich ging es mir aber auch darum, ein zweites Standbein für Wetterinformationen aufzubauen, denn Internet fällt immer wieder mal wegen “Funkloch” aus - insbesondere in landschaftlich schönen, aber einsameren Gegenden. Und hier fingen dann die Probleme auch schon an: Die Signale des deutschen Wetterdienstes lieferten bei ersten Tests zwar stabile und starke Signale, trotzdem waren die Wetterkarten im Ergebnis teilweise nicht wirklich toll anzusehen:
Das Streifenmuster deutet auf deutlich vernehmbare Störungen hin …
EMV, EMI, EMC - und die ersten Untersuchungen
Begriffsbestimmungen
Wenn es um Störungen geht, dann kommen die genannten Begriffe unvermeidlich zur Anwendung. Was besagen diese jetzt aber genau?
- EMI (Electromagnetic Interference, elektromagnetische Interferenz) ist die Störung, die durch elektromagnetische Felder verursacht wird. EMI kann von einem Gerät ausgehen und andere Geräte stören, oder ein Gerät kann durch externe EMI in seiner Funktion beeinträchtigt werden.
EMI beschreibt also das Problem: Unerwünschte Störungen durch elektromagnetische Felder, die zu Fehlfunktionen führen können. - EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit) und EMC (Electromagnetic Compatibility) sind unterschiedliche Begriffe für dasselbe Konzept – EMV ist die deutsche, EMC die englische Bezeichnung. Beide beschreiben die Fähigkeit eines elektronischen Geräts, in seiner elektromagnetischen Umgebung zuverlässig zu funktionieren, ohne andere Geräte unzulässig zu stören oder selbst gestört zu werden.
EMV/EMC beschreibt die Lösung bzw. das Ziel: Geräte sollen so konstruiert sein, dass sie möglichst wenig EMI verursachen und gleichzeitig gegen externe EMI robust sind.
In der Praxis bedeutet das:
- Ein Gerät mit guter EMV/EMC:
- stört andere Geräte nicht durch eigene elektromagnetische Emissionen (niedrige EMI-Emission).
- ist unempfindlich gegenüber externen Störungen (hohe Immunität).
- EMV/EMC-Tests prüfen, ob ein Gerät die gesetzlichen Grenzwerte für elektromagnetische Emissionen einhält und ausreichend gegen externe Störungen geschützt ist.
- EMI-Filter und konstruktive Maßnahmen (z. B. Abschirmung) helfen, EMI zu reduzieren und die EMV/EMC eines Geräts zu verbessern.
Mögliche Ursachen der “Streifenbildung”
Welche Geräte kommen für eine solche nachdrückliche Störung in Frage?
- Kühlschrank (sollte eher ein Knistern/Knattern durch den Betrieb des Kompressors abgeben - hab ich bewußt bisher nie wirklich wahrgenommen)
- Wasserpumpe (dto., aber nur äußerst sporadisch. Die Störungen oben dauern aber während der gesamten Fax-Übertragung von mehreren Minuten unverändert an)
- Licht (in meinem Fahrzeug gibt es keine LED- oder sog. “Transistorlampen”, überall sind störfreie Halogen-Birnen verbaut)
- Rechner und Monitor (subjektiv bisher - auch in der Vergangenheit, als noch KW ein Thema war - nie negativ aufgefallen)
- Solaranlage - da konnte ich bisher immer schon, wenn auch vereinzelt (siehe unten) Störungen vernehmen - daher lege ich hier zunächst den Fokus der Untersuchungen hin
Erste Tests
Ein schönes “Feature” der oben beschriebenen SDR-Technik ist die Möglichkeit, sich große Teile des Funkspektrums direkt ansehen zu können, die empfangenen Signale zeigen sich als Spitzen, die aus einem “Rauschteppich” nach oben herausragen.
Testaufbau
Normalerweise verwende ich in Verbindung mit dem oben beschriebenen SDR-Frontend eine Mini-Whip-Antenne (2), (3). Da diese aber eine separate Versorgungsspannung benötigt und ich Einkopplungen auf diesem Weg vermeiden wollte, ergab sich folgendes sehr einfaches Konzept:
- einfache Stab-Antenne auf dem Dach (da steht noch eine Viertelwellen-Antenne zur Verfügung für das 2m-Amateurfunkband)
- Koax-Kabel ins Innere, dort direkt auf den SDRplay-Empfänger
- diesen direkt über USB an ein Notebook angeschlossen
- das Notebook ebenfalls bordnetzunabhängig über den internen Akku versorgt
Störarme Referenzsituation
Im ersten Schritt habe ich die von mir vermuteten beiden Solarregler komplett deaktiviert, die Solarflächen abgedeckt und die Regler von der Batterie getrennt. Es ergaben sich sonntags zur Mittagszeit folgende Bilder:
Bei einer Breite von 8 MHz werden die Bereiche von unterhalb des 80m-Amateurbandes bis incl. des 31m-Rundfunkbandes abgedeckt, in einer leichten “Berg-und-Talbahn” sind immer mal wieder einzelne stärkere Spitzen sichtbar, die aus dem allgemeinen “Geräuschsumpf” herausragen:
Reduziert man die Bandbreite auf 500kHz, dann konzentriert sich die Darstellung bei einer Mittenfrequenz von 6 MHz auf das 49m-Rundfunkband:
Nachdem die ehemals starken “Platzhirsche” wie Deutsche Welle auf 6075kHz oder Radio Österreich International auf 6155kHz lange Geschichte sind, gibt es hier tagsüber auch nur ein paar einzelne schwächere Nadeln von ein paar privaten Stationen, die die freigewordenen Bereiche nun nutzen.
Normale “Betriebssituation”
Da stellen sich auf den ersten Blick eigentlich “keine weiteren Fragen” - die Übeltäter sind klar ausgemacht: Solar-Seuche 😬 …
Zunächst hier die Gesamtübersicht - wie oben dargestellt mit 8 MHz Bandbreite - ein mehr oder weniger welliger “Lattenzaun” …
In der feineren Auflösung mit 500 kHz Bandbreite zeigt sich, daß alle paar Kanäle (5kHz-Raster) ein wiederum mehrere Kanäle breites Störsignal “sitzt”:
Anmerkung: Zusätzlich zum eigentlichen Spektrum zeige ich hier noch die Wasserfall-Darstellung, mit Hilfe derer der zeitliche Verlauf der Störsignale sowohl hinsichtlich Stärke (Intensität der Färbung der Linien) als auch die Frequenz (Lage auf der Frequenzachse) beurteilt werden kann.
Und wie verheerend sich diese Störungen auswirken können, das zeigt diese Detaildarstellung mit einer Bandbreite von jeweils einem Rundfunk-Nutzkanal und die beiden Nachbarkanäle oberhalb und unterhalb:
Und wer ist der Übeltäter?
Meine Solaranlage besteht derzeit aus zwei Teilanlagen, die in die gemeinsame Batterie einspeisen:
- Erstausstattung bestehend aus 3 Modulen Kyocera LA441G66S und einem Regler MPT 3c von Meyer Solar
- Erweiterung bestehend aus 2 Modulen prevent PV-100-M-72-S und einem Regler Votronic MPP 350 Duo Digital
Hier zunächst ein Bild, bei dem der Meyer-Regler nach einiger Pause wieder alleine in die Batterie einspeist und zunächst volle Leistung abgibt, um die Ladeendspannung wieder zu erreichen:
und hier im Vergleich ein Bild, bei dem der Votronic-Regler alleine arbeitet - die Kyocera-Module sind abgedeckt:
Volle Batterie
Bei vollgeladener Batterie laufen die Regler immer mal wieder in einer Art Suchmodus, dies ändert sich auch in variabler Taktfrequenz. Hier zunächst das Gesamtspektrum:
und hier die feiner aufgelöste Version:
Hier sind im Wasserfalldiagramm deutlich “Schlangenlinien” erkennbar, im vorigen Diagramm sind diese auch zu sehen, aber nicht in dieser Klarheit.
Was ist bei Dunkelheit?
Abends wird irgendwann die Situation besser - keine Sonne => kein Solarstrom => keine Störung; das sollte man erstmal meinen. Und zu manchen Zeitpunkten ist das auch so: beide Solarregler schweigen und dann sieht das Spektrum sehr aufgeräumt aus …
Bevor es gänzlich dunkel ist liefert der Votronic-Regler immer mal wieder für kurze Zeitabschnitte ein Störspektrum, offenbar “sieht” er zwar noch Spannung am Solar-Eingang, kommt nach einer Prüfung aber dann zum Ergebnis, daß es für einen MPP-Betrieb dann doch nicht reicht. Das sieht dann so aus:
Sobald es dann “richtig dunkel” ist, dann scheint das Teil komplett zu schweigen.
Anders der Meyer-Regler: Der liefert in schöner Regelmäßigkeit die ganze Nacht hindurch jeweils für Abschnitte von etwa 10 Sekunden diesen schönen spektralen “Buckel” ab, gefolgt von einer längeren Phase der Stille, bevor es dann wieder losgeht mit der “Suche nach der Sonne” …
Und wie konnte ich damit überhaupt Radio hören?
Nun, in den ersten Jahren war ich nur mit der Erstausstattung bestehend aus den 3 Kyocera-Modulen und dem MPT 3c von Meyer Solar unterwegs. Wie die Diagramme oben zeigen, reicht das Haupt-Störspektrum dieses Reglers bis ca. 7,5 MHz, z. B. war der Empfang des SWR-Kurzwellensenders auf 7265kHz tagsüber immer gestört. Oberhalb konnte ich nur vereinzelt Störungen feststellen. Nun waren die Rundfunkbänder 49 und 41m - also um 6 und um 7,2 MHz - eher in den späten Abendstunden und nachts relevant, und da galt dann: keine Sonne, kein Strom, keine Störung.
Später hatte ich den Meyer-Regler gegen einen solchen von IVT ersetzt, auch da ist mir wenig Negatives erinnerlich.
Als ich dann 2018 die Solaranlage erweitert habe, kam der Votronic-Regler dazu, zu diesem Zeitpunkt war Kurzwellenrundfunk aber bereits kein wirkliches Thema mehr. Und noch später mußte ich dann wegen Ausfalls des IVT-Reglers wieder den alten Meyer-Regler in Betrieb nehmen - und das ist der aktuell untersuchte Stand der Anlage.
Quellen
- SDRplay RSPdx-R2 Datenblatt
- Mini-Whip Antenne Beschreibung
- Fundamentals of the MiniWhip antenna
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