Die Ukraine und die Nazis
veröffentlicht am 28.05.2022 mit 1143 Worten - Lesezeit: 6 Minute(n) in * GEBRABBEL *
Inhaltsverzeichnis
Die öffentliche Berichterstattung hat sich seit dem Beginn des Krieges Russlands gegen die Ukraine sehr drastisch gedreht: Wurde früher noch kritisch über bestimmte Aspekte in der Ukraine berichtet, so gibt es heute in der Ukraine nur noch eine Vorzeigedemokratie, wie die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hier z. B. bei Maybritt Illner behauptet, die Ukraine würde “in beeindruckender Art unsere Werte” verteidigen …
Die Ausgangssituation
Noch vor gar nicht langer Zeit gab es immer mal wieder kritische Berichte über Nazi-Umtriebe z. B. beim Azov-Bataillon, z. B. hier bei der BBC, der NewYork Times, auch in einem UN-Bericht zur Menschenrechtssituation von 2015 wird Azov mit entsprechenden Verstößen gegen das Völkerrecht beschrieben (z. B. verbotene Nutzung von Zivilgebäuden als Stellungen - und heute wundern sich die Leute, warum Mariopul so aussieht, wie es aussieht).
Einige Abgeordnete in den USA waren der Meinung, Azov sollte auf die Terrorist Exclusion List gesetzt werden. Die Europol-Chefin zeigt sich derweil besorgt über den Verbleib der vom Westen gelieferten Waffen nach einem - vorzugsweise baldigen - Ende des Krieges.
In den beiden Häusern des US-Kongresses gibt es ebenfalls seit Jahren heftige Diskussionen darüber, ob und wie verhindert werden kann, daß US-Gelder diesen Organisationen zugute kommen - in der Regel waren das aber Minderheitsmeinungen … das ist wichtig im Zusammenhang mit dem zweiten Teil dieses Berichts.
Hierzulande dreht sich die Diskussion auch um die Heldenverehrung in der Ukraine, hier zum Beispiel die Antwort des “Krawallbotschafters” Andrij Melnyk zur Diskussion über den Nationalistenführer Stepan Bandera.
Alle diese Meldungen geben jedoch ein nicht eindeutiges Bild her, wie die Ukraine im Blick der Anschuldigungen des Herrn Putin zu bewerten ist - schon gar nicht in Bezug auf die amtierende Regierung.
Die offizielle Haltung
Vor etwas über einem halben Jahr (!) - also praktisch gesehen aktuell - gab es von der UNO eine Pressemitteilung:
General Assembly, Meetings Coverage and Press Releases
An dem beschriebenen Sitzungstag stand auf der Tagesordnung auch dieser Punkt:
UNO Resolution A/RES/76/149
Combating glorification of Nazism, neo-Nazism and other practices that contribute to fuelling contemporary forms of racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance : resolution / adopted by the General Assembly
Der entscheidende Teil hier in der Übersetzung:
Als nächstes befasste sich die Versammlung mit dem Bericht über die “Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus, des Neonazismus und anderer Praktiken, die dazu beitragen, zeitgenössische Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz zu schüren”, der zwei Resolutionsentwürfe enthält.
Mit 130 Ja-Stimmen bei 2 Gegenstimmen (Ukraine, Vereinigte Staaten) und 49 Enthaltungen nahm die Versammlung den Resolutionsentwurf I “Bekämpfung der Verherrlichung des Nazismus, des Neonazismus und anderer Praktiken, die dazu beitragen, zeitgenössische Formen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz zu schüren” an.
Die Versammlung drückte ihre tiefe Besorgnis über die Verherrlichung der Nazibewegung, des Neonazismus und ehemaliger Mitglieder der Waffen-SS-Organisation aus, u.a. durch die Errichtung von Denkmälern und Gedenkstätten, die Abhaltung öffentlicher Demonstrationen im Namen der Verherrlichung der Nazi-Vergangenheit, der Nazibewegung und des Neonazismus und die Erklärung oder den Versuch, diese Mitglieder und diejenigen, die gegen die Anti-Hitler-Koalition gekämpft, mit der Nazibewegung kollaboriert und Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, zu “Teilnehmern an nationalen Befreiungsbewegungen” zu erklären.
Darüber hinaus forderte die Versammlung die Staaten nachdrücklich auf, alle Formen der Rassendiskriminierung mit allen geeigneten Mitteln zu beseitigen, auch durch die Gesetzgebung, und forderte sie auf, sich mit neuen und neu entstehenden Bedrohungen auseinanderzusetzen, die sich aus der Zunahme von Terroranschlägen ergeben, die durch Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und andere Formen der Intoleranz oder im Namen der Religion oder Weltanschauung verübt werden. Sie fordert die Staaten auf, dafür zu sorgen, dass die Bildungssysteme die notwendigen Inhalte entwickeln, um eine korrekte Darstellung der Geschichte zu vermitteln und Toleranz und andere internationale Menschenrechtsgrundsätze zu fördern. Sie verurteilt ferner vorbehaltlos jede Leugnung oder jeden Versuch der Leugnung des Holocaust sowie jede Äußerung von religiöser Intoleranz, Aufwiegelung, Belästigung oder Gewalt gegen Personen oder Gemeinschaften auf der Grundlage ihrer ethnischen Herkunft oder ihres religiösen Glaubens.
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Das Dokument sowie das Abstimungs-Ergebnis finden sich in der Dokumentenbibliothek.
Hier das interessante Abstimmungsergebnis vom 16. Dez. 2021 im Detail:
Voting Summary
Yes: 130 | No: 2 | Abstentions: 49 | Non-Voting: 12 | Total voting membership: 193
Abstimmverhalten | Länder |
---|---|
nein | Ukraine, United States of America |
Enthaltung | Albanien, Andorra, Australien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Kanada, Kroatien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Italien, Japan, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Monaco, Montenegro, Niederlande, Neuseeland, Nordmazedonien, Norwegen, Polen, Portugal, Republik Korea, Moldawien, Rumänien, Samoa, San Marino, Slowakei, Slowenien, Solomonen, Spanien, Schweden, Schweiz, Tonga, Türkei, Großbritannien |
ja | Russland, Israel, Bosnien, Serbien, China, Mittel- und Südamerika: die meisten Staaten, Afrika, Asien - eben einfach der Rest der Welt - mit Ausnahme von: |
abwesend | Afghanistan, Demokratische Republik Kongo, Kongo, Dominica, Iran, Liberia, Marshall Islands, Mikronesien, Mosambik, Palau, Sao Tome and Principe, Tuvalu |
Offene Fragen zum Abstimmungsergebnis
Gibt’s in der UNO so ’ne Art Fraktionszwang? Könnte es sein, daß der Leuchtturm der Demokratie eine Ansage gemacht hat?. Das kommt schon mal vor, wie bereits 2014 an der Harvard University der damalige Vizepräsident und heutige Präsident der USA Joe Biden beschreibt:
Wir haben Putin vor die einfache Wahl gestellt: Respektieren Sie die Souveränität der Ukraine oder Sie werden sich steigender Konsequenzen gegenübersehen. Dadurch waren wir in der Lage, die größeren der entwickelten Staaten dazu zu bringen, Russland echte Kosten aufzuerlegen.
Es ist wahr - sie (die EU) wollten das nicht tun, aber auch hier war es die Führung Amerikas und der Präsident der USA, der darauf bestand, oft sogar, um Europa in die Schranken zu weisen, aufzustehen und wirtschaftliche Schläge zu erleiden, um Kosten (für Russland) zu verursachen.
Nebenbemerkung: ein Strategiepapier der RAND-Corp. (Think Tank der USA, ursprünglich zur Beratung der Streitkräfte im kalten Krieg gegründet) aus 2019 zeigt die Erhöhung der Kosten in seinen 47 Maßnahmen auf, Russland zu destabilisieren - jeweils mit Bewertung der Risiken und Kosten für die USA (Europa wird dabei nicht betrachtet).
Was folgt daraus?
Im Kern geht es mir aber hier um die Bewertung der Abstimmung an sich:
Im Idealfall sollte es doch so aussehen:
- ein souveräner Staat wird bei der UNO durch einen Botschafter vertreten
- dieser vertritt die Interessen seines Staates
- diese Interessen werden durch die - im Idealfall demokratisch gewählte - Regierung zu Hause definiert
- im zugrunde liegenden Idealfall, also einer demokratischen Wahl, sollten die durch die Regierung festgelegten Interessen denen der Bevölkerungsmehrheit entsprechen
Legt man diese Kriterien zugrunde …
… dann kann es einem Angst und Bange werden um die Verfasstheit des “Wertewestens”.
Alternativ könnte man sich auch überlegen, an welcher Stelle der Idealverlauf kaputt ist.
Kommen wir zurück zur EU-Kommissionspräsidentin: Die Ukraine verteidigt unsere Werte … aha. Und die USA auch …
Jedenfalls sollten sich meiner Meinung nach alle, die übereifrig mit blauen und gelben Farben rumwedeln, mal den einen oder anderen Gedanken machen, ob sie da nicht vielleicht vor einen Karren gespannt werden sollen, dessen Inhalt sie nicht wirklich kennen.
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