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Marktkonforme Demokratie in Italien?

veröffentlicht am 30.05.2018 - aktualisiert am 09.06.2018 mit 589 Worten - Lesezeit: 3 Minute(n) in * GEBRABBEL *

Vor Jahren stieß die Aussage der Kanzlerin Merkel über die “marktkonforme Demokratie” auf heftige Kritik:

Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.

Wie das aussehen könnte, ist derzeit am Beispiel Italien zu sehen: Dort hat der Staatspräsident Mattarelle den von den Koalitionären benannten Wirtschaftsminister Savona abgelehnt. So berichtet beispielsweise die Tagesschau darüber:

Grund für das Scheitern der Regierungsbildung ist der Streit mit Mattarella über die geplante Ernennung eines ausgewiesenen Euro- und Deutschland-Kritikers zum Wirtschafts- und Finanzminister. Mattarella sagte, er habe den Kandidaten abgelehnt, weil die Ernennung eines Euro-Kritikers die Markte und Investoren alarmiert hätte.

Und auch der EU-Kommissar Öttinger gibt “gute Ratschläge” and die italienischen Wähler:

Meine Sorge und meine Erwartung ist, dass die nächsten Wochen zeigen, dass die Märkte, dass die Staatsanleihen, dass die wirtschaftliche Entwicklung Italiens so einschneidend sein könnten, dass dies für die Wähler doch ein mögliches Signal ist, nicht Populisten von links und rechts zu wählen.

Was ist denn jetzt passiert?
Man könnte meinen, die Eliten würden die Maske fallen lassen und aussprechen, was viele Italiener offenbar glauben, denn sonst hätten sie nicht den etablierten Parteien so eine Absage erteilt: nicht sie - wie es in der Verfassung steht - sondern die Finanzeliten sagen, wo’s lang geht.
Immerhin steht in der italienischen Verfassung im Artikel 1:

Italien ist eine demokratische, auf die Arbeit gegründete Republik.
Die oberste Staatsgewalt steht dem Volke zu, das sie in den Formen und innerhalb der Grenzen der Verfassung ausübt.

Und bezeichnenderweise wird von Mattarella ein Übergangsministerpräsident (Carlo Cottarelli) aus dem Hut gezaubert, der sich dadurch auszeichnet, daß er in hoher Position jahrelang beim IWF (Internationalen Währungsfonds) gearbeitet hat. Und es ist ja kein Geheimnis, daß dessen Politik schon immer “dem einfachen Volk” großen “Nutzen” gebracht hat: Privatisierungen, Sozialabbau und arbeitnehmerfeindliche Politik … was steht da in der Verfassung: “auf Arbeit gegründet” - nicht etwa “auf Kapitaleinkünfte gegründet”.

Unterdessen schimpft in Deutschland alles, was in Presse, Funk und Fernsehen Rang und Namen hat, auf die italienischen “Populisten”.
Interessant ist hier, was der Ökonom Hans-Werner Sinn zu dem Begriff “Populisten” zu Recht ausführt:

Wenn man bedenkt, wie in den USA und Großbritannien die durch die Kräfte der Globalisierung und die Migration bedrängten Unter- und Mittelschichten der Gesellschaft sich im Jahr 2016 erfolgreich gegen das Establishment aufgelehnt haben, leuchtet Marx’ These unmittelbar ein.

Der medial-politische Komplex reagierte auf den Realitätsschock mit der Behauptung, die Menschen seien Opfer von Populisten geworden, so als wüsste man nicht, dass in einer Demokratie stets Populisten regieren. Populisten sind immer nur die anderen, die nicht oder noch nicht an der Macht sind, und der eigenen Partei die lukrativen Posten im Staatsapparat abspenstig machen wollen. Welch eine verquere Definition! Ähnliches Unverständnis hat die herrschende Klasse stets gegenüber Aufrührern ihrer Zeit gezeigt, die ihre Positionen ernsthaft in Frage stellten.

Nun wird angeführt, Populisten würden “das Blaue vom Himmel herunter versprechen” - das können die Etablierten aber auch. Beispiele gefällig?
Wir erinnern uns alle an die Aussage der Kanzlerin

Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.

Oder die Geschichte mit der Mehrwertsteuer im Jahre 2005: CDU verlangt 2% Erhöhung, SPD spricht von “Merkelsteuer”, am Ende beschließt die Große Koalition eine Erhöhung von 16 auf 19% - ist ja klar, denn der Mittelwert zwischen 0 und 2 beträgt 3!
Mehr davon? Gibt es hier.

Ich bin mal gespannt, wie das weiter geht - insbesondere in Italien, aber auch anderswo.

 


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